Soen - Komplex 457 Zürich 2023
Mi, 27. September 2023

Soen, Molybaron, Terra

Komplex 457 (Zürich, CH)
24.10.2023
Soen - Komplex 457 Zürich 2023

Die Klangmeister von Soen

Am Mittwochabend ertönten innerhalb der Mauern des Komplex-Gebäudes diverse Kompositionen aus der progressiven respektive alternativen Ecke. Veranstalter Good News Productions AG hat die Truppen Soen, Molybaron und Terra nach Zürich-Altstetten eingeladen.

Sämtliche Künstler hielten sphärische, besänftigende Sitzungen für die anwesenden Gehörgänge ab. Es war wahrlich ein «soener» Event (und damit lassen wir die miserablen Wortspiele jetzt beiseite).

Wenn die Hymnen-Könige aus Schweden (und teilweise anderen Flecken der Erde) schon einigermassen in meine Nähe kommen, ist ein Besuch einer solchen Veranstaltung – sofern es die eigene dicht gefüllte Agenda zulässt – grundsätzlich Pflicht! Nach vergangenen Gastspielen im Z7 und an diversen Festivals (wie beispielsweise dem diesjährigen Baden in Blut Open Air – siehe dazu gerne den Bericht von Kollege Silas), kommt nun der Komplex 457-Club zum Zug. Innerlich bete ich bereits intensiv zu den Göttern, dass die örtliche Technikanlage und die sie bedienenden Menschen dem anspruchsvollen Liedgut von Soen ansatzweise gewachsen sind, denn «Soundbrei» gilt es bei dieser Supergroup tunlichst zu vermeiden!

Ich habe bisher noch nicht grossartig in die Anfang September dieses Jahres veröffentlichte Platte «Memorial» reingehört, aber es werden garantiert ausreichend Songs dieses Silberlings die heutige Setliste schmücken. Trotzdem hätte ich auch gegen etwas ältere Angelegenheiten der Marke «Antagonist» (mein Lieblingsstück!) überhaupt nichts einzuwenden. Doch ehe der Headliner loslegt, stehen zuerst Darbietungen der Equipen Molybaron und Terra auf dem Programm. Oh, ihr kennt die ebenfalls nicht? Ausgezeichnet, dann können wir diesen Studienkurs ja gleich gemeinsam belegen.

Terra

Für den Einstieg ist das aus Rom stammende Quartett Terra besorgt. Das aufkommende Getrommel erinnert freilich an Safri Duo. Generell scheinen die vier Italiener ohnehin auf jede Menge Perkussions-Elemente zu schwören. Deshalb überrascht es nicht, dass insbesondere das gelegentlich aufleuchtende Drumset von Daniele «Zed» Berretta im Fokus steht. Den guten Herrn jedoch einfach bloss als Stöckchen-Schwinger einzustufen wäre massiv untertrieben, denn er übernimmt zusätzlich ebenfalls den Grossteil der Gesangs-Parts. Mit einem fantastischen Stimmorgan, welches Parallelen zu Tom Englund, Chris Cornell und Manu Gagneux aufweist, ist das logischerweise ein leichtes Unterfangen. Seine Kumpels dürfen derweil gelegentlich Backing Vocals beisteuern. Ausserdem sorgt Paolo Luciani ab und an mittels Flöte für orientalische Sequenzen.

Im Rahmen dieser halben Stunde kommt der bedauerlicherweise noch arg spärlich besuchte Komplex-Laden in den Genuss von abwechslungsreichen Tracks, die Terra wahrscheinlich nicht bloss für meine Wenigkeit zu einer interessanten Entdeckung werden lassen. Die naturverbundenen Stammesmitglieder legen grossen Wert auf eigenes hergestelltes Handwerk. Das zeigt sich etwas später auch am Merchandise-Stand, wo die CDs der Truppe ausschliesslich in selbst angefertigten Holzhüllen erhältlich sind. Das nenne ich einmal kreativ und innovativ! Somit kommt kein Album wie das andere daher und man verfügt nach dem Kauf effektiv über ein Unikat.

Molybaron

Eine Umbauphase von lediglich zehn Minuten mag eine verflucht sportliche Angelegenheit sein, aber die involvierte Crew kriegt das Ganze trotzdem beinahe pünktlich hin. Deswegen ist alles angerichtet für den Gig der nächsten Formation. Es geht in die französische Hauptstadt Paris, wo Frontmann Gary Kelly (der zwar irische Wurzeln besitzt, jedoch meines Wissens nicht mit der «Kelly Family» verwandt ist) 2015 das Projekt Molybaron ins Leben gerufen hat. Die Band segelt unter dem Banner des Alternative Metal und hat vor Kurzem ihr drittes Studio-Eisen «Something Ominous» unters Volk gebracht. Also Leute, dann zeigt mal, was ihr könnt. In diesem Sinne: «Allez-y!».

Oha, die Franzosen drücken schnurstracks auf die Tube (da waren Terra zuvor im Vergleich eher gemütlich unterwegs). Gedanklich muss ich umgehend abermals den fiktiven Notizblock hervorkramen und folgende Erkenntnis festhalten: Molybaron sind sogar die noch lohnenswertere Entdeckung als die erste Kapelle des heutigen Abends! Zwischendurch driften die vorgetragenen Melodien fast schon in die Gefilde des Heavy respektive Power Metal ab. Gary ist ohne Zweifel mit herausragenden Stimmbändern gesegnet. Sollten diese plötzlich versagen, kann er notfalls immer noch auf seine charismatische Ader zurückgreifen. Wie er grinsend zugibt, haben sie einen Song der Setliste erst kurz vor Showbeginn spontan im Backstage eingeübt. Dieses Experiment besteht seine Feuertaufe glücklicherweise absolut schadlos. Mit den direkt aufeinanderfolgenden Hymnen «Lucifer» und «Vampires» werden dann auch sämtliche Kreaturen der Nacht im Saal vollends befriedigt. Alles in allem eine saustarke Performance, die einzig mit etwas lauteren Hintergrundgesängen noch mehr Punkte hätte einsacken können.

Soen

Nach dieser Duftmarke von Molybaron würde wohl manch ein Headliner ins Schwitzen geraten und zittrig auf der Bühne stehen. Das gilt aber keinesfalls für die routinierten Herrschaften von Soen. Mit dem Wissen über das eigene Können im Rücken treten sie im Rahmen eines (Scheinwerfer-)Blitz- und Donner-Intros in Erscheinung. Schon das erste Stück «Sincere» unterstreicht glasklar, dass hier waschechte Virtuosen der progressiven Sparte am Werk sind. Eine Teilnahme an dieser abwechslungsreichen Achterbahnfahrt der Gefühle kann ich jedem sorglos ans Herz legen. Da wird von Freude bis Trauer wirklich die gesamte Palette bedient. Eintauchen, geniessen, Denkzentrale vorübergehend abschalten, beinahe Tränen vergiessen – willkommen im Spektrum der Emotionen, welche die Musik von Soen auslösen kann. Wir sind in Rekordzeit verzaubert. Überragend!

Der bunt zusammengewürfelte Haufen, bestehend aus Joel Ekelöf (Gesang), Lars Enok Åhlund (Gitarre und Keyboard), Oleksii «Zlatoyar» Kobel (Bass), Cody Lee Ford (Gitarre) und Gründungsmitglied Martin Lopez (Drums), zieht sein Ding lupenrein durch. Jep, ihr habt richtig gelesen, ich habe nix an der Soundqualität zu bemängeln. Die oftmals gescholtene Komplex-Anlage hält dieser schier unmöglich zu absolvierenden Prüfung stand! Und wenn wir bereits den ganzen Abend lang von grandiosen Stimmen gesprochen haben, darf selbstverständlich ein Sonderlob in Richtung Joel auf gar keinen Fall fehlen, denn auch der Soen-Fronter trällert genial in sein Mikro (beinahe wie eine Nachtigall).

Mit Ausnahme von «Tellurian» (2014) und «Lykaia» (2017) sind sämtliche Platten in der Setliste vertreten. Dass es neben dem Material des Neulings «Memorial» ebenfalls einige Lieder vom starken Vorgänger «Imperial» zu hören gibt, freut mich umso mehr. Aufgrund dessen wird mein Wunsch erfüllt und ich darf am Anfang des Zugaben-Blocks zu meinem favorisierten «Antagonist» eskalieren. Was für ein Kracher! Anschliessend folgen noch zwei weitere Nummern, ehe danach das Licht angeht und wir langsam nach draussen geleitet werden. Obschon Soen nach meinem Gusto ungeniert ein paar weitere Stunden hätten spielen dürfen. Das muss dann wohl bis zum nächsten Gastspiel auf helvetischem Grund warten.

Das Fanzit – Soen, Molybaron, Terra

Bockstarke Bands, eine mehrheitlich vernünftige Soundqualität und ein leider tendenziell überschaubarer Publikumsaufmarsch. Ungefähr so könnte man diesen Event zusammenfassen. Keine Ahnung, weshalb eine solch meisterhafte Gruppe wie Soen nach wie vor massiv unterbewertet zu sein scheint… Den musikalischen Trip, den die Akteure jedes Mal aufs Neue anbieten, würde ich definitiv jederzeit als «legale Droge» weiterempfehlen.

Setliste – Molybaron

  1. Something Ominous
  2. Set Alight
  3. Reality Show
  4. Animals
  5. Something For The Pain
  6. Breakdown
  7. Lucifer
  8. Vampires
  9. Incognito

Setliste – Soen

  1. Sincere
  2. Martyrs
  3. Savia
  4. Memorial
  5. Modesty
  6. Unbreakable
  7. Deceiver
  8. Ideate
  9. Monarch
  10. Fortress
  11. Illusion
  12. Lascivious
  13. Lotus
  14. Antagonist*
  15. Lunacy*
  16. Violence*

*Zugabe


Wie fandet ihr das Konzert?

24.10.2023
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