Metalinside.ch - Kissin' Dynamite - Pyraser Classic Rock Night 2025 – Foto Kaufi 08
Sa, 26. Juli 2025

Pyraser Classic Rock Night 2025 – Doro, Kissin‘ Dynamite, Tarja u.a.

Pyraser Landbrauerei (Pyras, DE)
/ 12.08.2025

Gewitter auf und über der Bühne

Die Pyraser Classic Rock Night hat einen guten Ruf – und zwar in einem solchen Ausmass, dass er bis in die Schweiz reicht. Als Konsequenz davon haben sich Kaufi und Raphi auf den Weg gemacht, um den Anlass einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Raphi: Zugegeben – für Kollege Kaufi hat vermutlich das Line-up ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt beim Entscheid, nach Mittelfranken zu fahren. Immerhin spielt mit Kissin’ Dynamite eine seiner Top-10-Bands und das erst noch als Co-Headliner neben einer altbekannten Grösse wie Doro. Doch ganz egal weshalb, ich finde es super, dass du dabei bist und den Bericht mit deinen Fotos bereicherst, Kaufi. Nachdem wir am Presseeingang speditiv und unkompliziert eingelassen worden sind, können wir uns ja noch ein wenig umschauen, bevors losgeht.

Kaufi: Oh ja, das Billing ist fraglos nach meinem Gusto! Nicht nur KD, auch Tyketto sind ein Zugpferd für mich. Und bei Tarja werde ich gefordert sein mit „gute Bilder abliefern“, sonst streicht mir der Chef dann wieder Geburtstags- oder andere Geschenke. Auf der anderen Seite haben White Lion nach der schwachen Nummer im Z7 letzten November eine Bringschuld. Die Vorfreude ist jedenfalls nach der langen Anfahrt schampar gross!

Raphi: Die Pyraser Classic Rock Night findet übrigens auf dem Gelände der Pyraser Landbrauerei in Pyras statt – ihr merkt schon, wie die Ortsverbundenheit durchdrückt. Das ist gut so, denn sie legt den Grundstein für das Ambiente auf dem Brauereiareal. Wie viele der rund 240 Einwohner aus dem namensgebenden Austragungsörtchen das Festival besuchen, lässt sich zwar nicht herausfinden, aber die Stimmung beinhaltet viel von einem lokalen Brauereifest, was sich in einem Wort mit Gemütlichkeit zusammenfassen lässt. In Kombination mit der Tatsache, dass die diesjährige Ausgabe bereits die fünfzehnte ihrer Art ist, verwundert da die vorgängige Ausverkauft-Meldung niemanden mehr. Angesprochenes Gelände besteht aus einem Innenhof, der von mehreren Gebäuden eingerahmt wird. Das zentrale Element und herausragende Merkmal der Pyraser Classic Rock Night ist der in der Mitte liegende grosse Biergarten. Gesäumt von grossen Bäumen und gut bestückt mit Sonnenschirmen bietet er Platz für viele, viele durstige Metalheads, ja stellt allem Anschein nach sogar für manche Anwesende den Hauptgrund für einen Besuch hier dar. Hier tritt in den Umbaupausen auf einer kleinen Bühne zudem Human Touch auf, um die Leute während der Zeit zwischen den restlichen Konzerten zu unterhalten.

Die Fotos – Impressionen

Doch genug der Vorworte: Das Programm beginnt jetzt dann gleich, also begeben wir uns in den Schutz der Veranstaltungsscheune und machen uns bereit für die erste Gruppe.

Stimmengewitter (Metalchor)

Raphi: Bei dieser handelt es sich vielmehr um einen Chor als um eine Band. Das Ensemble aus Nürnberg hört auf den Namen Stimmengewitter und präsentiert uns einen Querschnitt durch die Welt der verzerrten Gitarren – nur eben ohne Saiteninstrumente sondern als reiner Chor. Das ist ungewohnt… und originell. Der Start mit «Breaking the Law» glückt. Begleitet werden die über dreissig Sängerinnen und Sänger von einem Gitarristen. Der sorgt natürlich für einen metallischen Ankerpunkt, übertönt dafür bei einem oder zwei Songs beinahe den Chor. Sehr schön ist hingegen die Geste, dass das Ensemble anlässlich Ozzy Osbournes kürzlichem Tod extra noch kurzfristig «Changes» eingeübt hat. Musikalisch ist dann «Run To The Hills» das Highlight, der Refrain ist einfach zu gut geeignet für die gemeinsame Darbietung durch viele Stimmen. Da kann «Enter Sandman» im An- und zum Abschluss nicht mehr ganz mithalten. Applaus kriegt das Stimmengewitter nach Ende seines halbstündigen Auftritts trotzdem und dies verdient.

Die Fotos – Stimmengewitter

Bonfire

Raphi: Nach dieser speziellen Festivaleröffnung gehts nun weiter mit Bonfire. Bonfire spielen eine schwungvolle Mischung aus Hardrock, Glam- und Heavy Metal und Kaufi ist deshalb bereits ready im Fotograben.

Kaufi: Es ist lange her, seitdem ich Bonfire das letzte Mal live gesehen habe. Dürfte bei einem dieser kurzlebigen Festivals (in diesem Fall in Gossau SG) gewesen sein, als unter anderem eine Band namens Kissin‘ Dynamite vor ihnen spielte… Als Oldschool-Fan vermisste ich damals und auch heute halt schon den Originalsänger Claus Lessmann. Der aktuelle Fronter Dyan Mair erinnert optisch mit seiner Mähne schwer an Emmo Acar von den Innerschweizern Fighter V. Und singen kann er, das stellt er schnell unter Beweis. Die Setlist ist zudem erfreulicherweise enorm auf „alt“ getrimmt, acht der zehn gespielten Tracks stammen von den beiden besten Alben «Don’t Touch The Light» (1986) und «Fireworks» (1987). So entpuppt sich wenig überraschend folglich auch das grandiose „S.D.I. « als Höhepunkt der Show. Der Wermutstropfen ist dann jedoch schon die eigentlich starke Ballade «You Make Me Feel» – hier vermisse ich Lessmann nun wirklich. Doch insgesamt ist es ein überraschend starker Auftritt, den Bonfire hier zeigen, zumal sie sich in bester Laune und sehr spielfreudig zeigen. Der Applaus in der bereits jetzt sehr gut gefüllten Scheune zeigt, dass ich mit dieser Meinung offenbar nicht alleine bin.

Raphi: Das Quintett gehört zu den Veteranen der Szene und mit Hans Ziller ist immer noch ein Gründungsmitglied an Bord. Die restlichen Männer, die gerade da oben stehen, sind alle weniger lang dabei – die Spanne reicht von drei bis elf Jahren. Noch weniger lang Teil der Bonfire-Familie ist das neuste, taufrische Album, «Higher Ground», welches im Januar erst erschien. Die Truppe aus Ingolstadt kann uns also mit brandaktuellem Material versorgen. Das fügt sich prima in die alten Hits ein und Bonfire haben keine Probleme, beide Sorten energiegeladen vorzutragen. Highlights neben dem erwähnten «S.D.I.»? «Sword And Stone» und «Champion» bilden die Spitze eines tollen Sets. Der Mix, den die Soundcrew der Pyraser Classic Rock Night ihnen auf den Leib schneidert, passt dazu wunderbar – bloss die Akustik der Scheune lässt das Ganze zu Beginn noch ein wenig dumpf erscheinen. Neben der Musik ist es während es fünfzigminütigen Auftritts vor allem die gute Chemie zwischen den gutgelaunten Bandmitgliedern, die Bonfire als Erinnerung hinterlassen. Hans Ziller wirft immer mal wieder deutsche Einwürfe in die englischen Ansagen von Dyan Mair ein oder nimmt ihn hin und wieder gar hoch, was dieser mit Humor wegsteckt, bevor er den nächsten Song ansagt. So werden Bonfire von den Anwesenden mit anerkennendem Beifall bedacht, als sie das Zepter schliesslich an die nächste Band übergeben.

Die Setlist  Bonfire

  1. Ready 4 Reaction
  2. Never Mind
  3. Sweet Obsession
  4. S.D.I.
  5. Sword And Stone
  6. You Make Me Feel
  7. I Died Tonight
  8. Longing For You
  9. Don’t Touch The Light
  10. Champion

Die Fotos Bonfire

Mike Tramp’s White Lion

Raphi: Bei dieser handelt es sich eigentlich eher um ein Projekt: Mike Tramp hat drei Mitstreiter um sich geschart und bringt zusammen mit diesen seit vorletztem Jahr Songs seiner mittlerweile aufgelösten Band White Lion auf die Bühne. Neues Material ist von den Hardrockern seit siebzehn Jahren keines mehr erschienen, doch darum geht es bei der Sache nicht. Gefeiert werden sollen die guten alten Zeiten, dafür ist das Publikum erschienen. Und dafür ist auch Mike Tramp hinter dem Mikrofon. Das lässt er uns unumwunden in einer seiner zahlreichen anekdotischen Ansagen wissen. Er erzählt uns darüber hinaus, wie sie damals in Achtzigern die Entscheidung getroffen hätten, ihr Album in Frankfurt aufzunehmen und bereits am Flughafen Bekanntschaft mit den hiesigen Wetterbedingungen machen durften. Je länger der Auftritt dauert, desto klarer werden zwei Dinge. Zum einen, dass gute Hits wie «Wait» oder «When The Children Cry», um nur zwei Beispiele zu nennen, zeitlos sind und Jahre später nach wie vor funktionieren. Zum anderen, dass Mike Tramps Stimme bei weitem nicht mehr so geschmeidig ist wie früher – und er sich dessen bewusst zu sein scheint. Doch die Liebe zur Musik treibt ihn anscheinend auf die Bühne zurück und lässt nicht zu, dass er sein Leben verbringt, ohne zu singen.

Dieser Eindruck verleiht dem Auftritt einen Hauch von Melancholie: Wir haben jemanden vor uns, der ganz genau weiss, dass seine Glanzzeiten vorbei sind und in dieser Form nicht mehr zurückkommen werden. Trotzdem sucht er das Gefühl aus der Vergangenheit und ist dankbar dafür, bereits einen Bruchteil davon zu erhalten. Die Nostalgie weht also stark über die Pyraser Classic Rock Night 2025, während Mike Tramp’s White Lion langsam aber sicher dem Ende ihrer sechzig Minuten entgegensteuern. Bevor die «Lady Of The Valley» aber den Gig beenden kann, lässt Mike es sich nicht nehmen, seiner Band ausführlich zu danken. Er habe im Laufe seiner Karriere gemerkt, dass er ohne diese nichts sei und es zu schätzen gelernt, dass sie Abend für Abend ihr Ego wegschliessen, um fremde Songs zu spielen und ihn zu begleiten. Sehr sympathisch und passend zum ganzen Konzert. Dieser Meinung scheinen auch die Fans zu sein, denn sie bejubeln das Quartett ausgiebig bei dessen Abgang. Mal schauen, ob die nächsten Veteranen da anschliessen können.

Kaufi: Ich habe es eingangs erwähnt: White Lion haben einiges gut zu machen nach der blassen Vorstellung im Z7. Und das tun sie! Mike Tramp ist bestens gelaunt, genauso wie sein Sidekick Marcus Nand. Drums und Bass sind nun ebenfalls live, dazu eine deutlich längere Spielzeit. Das ergibt in der Summe eine richtig gute Show. Klar, Tramp lebt von den alten White Lion-Songs. Raphi sieht das auch absolut richtig: Die Nostalgie ist regelrecht greifbar. Mike Tramp ist zudem zweifelsfrei ein hervorragender Entertainer, als gebürtiger Däne spricht er darüber hinaus recht gut Deutsch, was seinen Ansagen zusätzlichen Charme verleiht. In dieser Verfassung würde ich mir White Lion problemlos wieder antun, das war richtig stark. Und jetzt heisst es Warten auf ein nächstes Highlight…

Die Setlist Mike Tramp’s White Lion

  1. Intro
  2. Out With The Boys
  3. All The Fallen Men
  4. Hungry
  5. Wait
  6. Little Fighter
  7. Living On The Edge
  8. Tell Me
  9. When The Children Cry
  10. Broken Heart
  11. Lady Of The Valley

Die Fotos Mike Tramp’s White Lion

Tyketto

Kaufi: Doch bevor es mit Musik weitergehen kann, kommt ein Mitarbeiter des Festivals auf die Bühne und kündigt an, dass die Unwetterwahrscheinlichkeit zugenommen habe. Es könne sein, dass es zu einem Unterbruch komme. Sollte dies der Fall sein, würden wir informiert. Dann ist es schliesslich so weit: Tyketto erklimmen die Bühne und legen unter viel Jubel los. «Strength In Numbers» heisst die erste Nummer und sie passt wunderbar zur vollen Halle. Nach diesem Start nach Mass geht es gleich weiter mit «Wings», doch die Freude währt nur kurz: Kaum ist der Song fertig, müssen Tyketto abbrechen – auf dem Screen erscheint eine Unwetterwarnung. Parallel dazu schallt aus den Lautsprechern die Durchsage, dass bitte alle die festen Gebäude oder ihr Auto aufsuchen sollen.

Die Security beginnt, den Biergarten zu räumen und sämtliche Personen zu einem Unterstand zu schicken. Derweil nimmt der Regen zu, seine Intensität hält sich aber noch in Grenzen. Zehn Minuten vergehen, dann nochmals zehn. Bis jetzt verschont uns das Unwetter zum Glück, doch einige Leute sind frustriert. Pfiffe begleiten die nächste Wiederholung der Durchsage, dabei möchten die Veranstalter doch bloss niemanden gefährden. Die Entscheidung für den Unterbruch haben sie bestimmt nicht leichtfertig getroffen und nebenan in Nürnberg rückt die Feuerwehr gerade im Minutentakt aus, weils regnet und hagelt wie beim Weltuntergang. Als schliesslich eine halbe Stunde vergangen ist, rechnet niemand mehr damit, dass Tyketto ihren Gig noch fertig spielen werden. Vermutlich wird es also erst um 18:00 Uhr mit Tarja weitergehen.

Kaufi: Bitter für Tyketto! Sänger Danny Vaughn ist sichtlich angefressen, als ihm die schlechten News überbracht werden. Aber er versteht natürlich, dass Sicherheit Vorrang hat. Von diesem Standpunkt aus kann ich auch die Leute nicht verstehen, die hier ihren Unmut mit Pfiffen kundtun. Irgendwie haben die etwas nicht verstanden? Wir Fotografen dürfen in der sicheren Scheune bleiben und ausharren. Einer der Security sagt klipp und klar: „Schaut mal all den Strom, den wir da hinten haben. Und draussen all die Bäume. Leute, da reicht EIN Blitz!“. Deutlicher geht es kaum… Glücklicherweise kommt es schlussendlich nicht so weit, das Unwetter zieht an Pyras vorbei. Und die Bühne wird vorbereitet für Tarja, Tyketto sind also gestrichen.

Die Fotos – Tyketto

Tarja

Raphi: So kommt es tatsächlich und als nächstes steht damit die erste von zwei Solokünstlerinnen am heutigen Abend auf dem Programm, während es draussen weiter regnet. Die Rede ist natürlich von Tarja und als die gebürtige Finnin, die Bühne fünf Minuten zu früh betritt, schiesst mir durch den Kopf, dass es nun auch schon wieder rund sieben Jahre her ist, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Das war auf der Nordic Symphony Tour im Jahr 2018 (den Bericht dazu findet ihr hier) und leider konnte ihr Progressive Metal damals infolge Soundproblemen nicht seine volle Wirkung entfalten. Hoffentlich haben wir in den kommenden sechzig Minuten mehr Glück diesbezüglich. Rasch zerstreut die Soundcrew meine Bedenken: Die Abmischung ist hervorragend. Wir sind zudem gestärkt, da wir uns nach Aufhebung der Unwetterwarnung an einem der zahlreichen Stände mit Pulled-Pork-Burger und Wurstbrötchen verpflegt haben. Das können wir nun auch gebrauchen, denn die Musik von Tarja und ihrer fünfköpfigen Band ist alles andere als einfach zu erfassen. Das macht gleich der Opener «Eyes Of The Storm» mit seinen spanischen Einflüssen klar. Apropos Band: Die Musiker machen alle einen hervorragenden Job, aber der Mittelpunkt der Show ist ganz klar Tarja. Die Beleuchtung unterstreicht dies zusätzlich, wie ihr auf Kaufis Fotos sehen könnt. (Anm. Kaufi: Und trotzdem ist die Dame eine sehr schwer zu fotografierende Person…).

Unsympathisch wirkt das allerdings nicht, im Gegenteil: Tarja strahlt derart übers ganze Gesicht, dass sie die Blicke auf sich zieht wie ein Magnet. Nach einem Beginn mit eigenem Material wartet der Auftritt ungefähr in der Hälfte mit einer Überraschung auf. «Wishmaster» ist deren Name und von den Werken Nightwishs gehört es mit zu den bekanntesten. Tarja nutzt im Anschluss die Gelegenheit, um ihren Dank auszusprechen, nun bereits fast dreissig Jahre auf der Bühne stehen zu dürfen. Dabei ist sie sichtlich gerührt, was verständlich ist, war ihre Trennung von Nightwish doch einer der historischen Momente in der Metalszene Anfang der Nullerjahre. Vor diesem Hintergrund erhält die Wahl von «I Walk Alone» als gleich folgendem Song einen interessanten Subtext. Aber am Ende sind das Geschichten von gestern und Tarja besteht heutzutage problemlos als Solokünstlerin, solange man sich darauf einlassen kann, dass ihre Musik mittlerweile eben vielmehr Progressive als Symphonic Metal ist. Das spiegelt sich übrigens in den Reaktionen des Publikums, das eher zurückhaltend, dabei aber wohlwollend, agiert bei diesem Ausreisser im Line-up. Der verdiente Applaus ist dem Sextett dennoch sicher und nachdem sie ihren Dienst verrichtet haben, umarmen sich alle Mitglieder der Truppe, während sie sich Zeit nehmen für den Abschied von den Fans. Aus den Boxen erklingt, ganz bestimmt nicht zufällig, «Dreamer» von einem gewissen Ozzy Osbourne und Tarja animiert die versammelte Menge der Pyraser Classic Rock Night zum Mitsingen, was das Konzert mit einer buchstäblich verträumten Note enden lässt.

Kaufi: Tarja hat ihren Stempel den früheren Nightwish-Klassikern aufgedrückt, das schleckt keine Geiss weg. Ihre Ausstrahlung, ihre Freude auf der Bühne zu stehen – herrlich zu sehen. Doch wie Raphi sagt: Ihr musikalisches Soloprogramm ist keine einfache Kost. Zumal ich persönlich meistens Mühe habe, wenn „Progressive“ bei der Beschreibung des Genres da steht. So ist es klar, dass ich am liebsten eigentlich nur Nightwish-Songs hören würde. Gibt es natürlich nicht, ist klar. Und «Wishmaster» verpasse ich sogar, weil ich weit entfernt mal einen Sitzplatz gefunden habe, an dem ich mich etwas erholen kann. «Nemo» ist gegen Ende dann der zweite Hit aus alten Tagen, das ist für mich logischerweise das Highlight.

Die Setlist – Tarja

  1. Eye Of The Storm
  2. Demons In You
  3. Dark Star
  4. Undertaker
  5. Silent Masquerade
  6. Wishmaster (Nightwish Cover)
  7. I Walk Alone
  8. Victim Of Ritual
  9. Dead Promises
  10. Nemo (Nightwish Cover)
  11. Until My Last Breath

Die Fotos – Tarja

Kissin‘ Dynamite

Raphi: Damit wären wir also bei den Headlinern angelangt. Derer gibt es zwei und Kissin‘ Dynamite machen den Anfang. Regelmässige Leserinnen und Leser von Metalinside.ch kennen die Band aus den 29 Konzertberichten, Interviews oder Albumreviews, die Kollege Kaufi über sie (mit-)verfasst hat. Alle anderen kennen die Band, weil sie sich konstant auf den Plakaten nach oben gespielt hat. Mit „Back With A Bang!“ haben sie zudem einigermassen neues Material im Gepäck, das Album ist letztes Jahr erschienen. Die Veranstaltungsscheune ist zum Bersten voll, als das Licht ausgeht und das Intro erklingt. Anscheinend will niemand die Glam Metal-Show der fünf Schwaben verpassen. Und das Quintett zeigt vom ersten Ton an, dass es sich diesen Slot absolut verdient hat. Kissin’ Dynamite lassen nichts anbrennen und zücken ihre grössten Hits im Multipack. «Back with a Bang» steht logischerweise am Anfang, mit «DNA» gehts weiter. Als das vorüber ist, sind bereits zum ersten Mal Hey-Rufe aus einem grossen Teil des Publikums zu vernehmen. Die Fans feiern und feuern die Band an, die Stimmung ist hervorragend. Die Musiker saugen die Energie auf, wandeln sie um in engagiertes Spiel und schiessen Salve und Salve davon in Form von guter Laune zurück in die Reihen vor ihnen. Wie fühlt sich das im Fotograben so an, Kaufi?

Kaufi: Unbeschreiblich. Wenn die persönliche Statistik auf Setlist.fm nicht lügt, ist es heute das fünfundzwanzigste Mal, dass ich die Schwaben live sehe. Und ich bin immer wieder einfach nur baff, wie sich die Band vor allem live zudem entwickelt hat in den zwölf Jahren seit meiner ersten Begegnung. Nach nur zwei Songs kocht die Scheune, das hört man, das fühlt man auch ganz vorne. Wenngleich die Jungs sicherlich nicht das erste Mal solche Reaktionen erleben: Die gezeigte Freude und Ergriffenheit ist echt. Fronter Hannes steht da und scheint wirklich nur noch sprachlos zu sein. Wahnsinn.

Raphi: Einige Songs später ist «I Will Be King» an der Reihe. Hier zeigt sich das Talent zum Unterhalter, über das Sänger Hannes Braun verfügt. Wortlos, dafür mit grosser Gestik, gibt er den Monarchen mit Krone und dirigiert das Publikum beim Mitsingspielchen gekonnt pantomimisch. Ein andermal macht er genau das Gegenteil: Nachdem er ein wenig ausgedehnter geplaudert hat, lässt er uns mit einem Grinsen wissen, dass er jetzt genug geredet habe. Er wolle hier ja nicht den Tobias Sammet geben. Die Lacher sind ihm damit natürlich sicher, wenngleich er sich anschickt zur Sicherheit – «bevor es dann wieder irgendwelche Reels im Internet gibt» – nachzuschieben, dass Tobi und er gut befreundet seien. Es sind diese Details, die in einer perfekt durchorchestrierten Show, in der so gut wie nichts dem Zufall überlassen bleibt, dafür sorgen, dass Kissin’ Dynamite nicht zu routiniert, ja distanziert wirken. Der Spagat zwischen grossangelegter Show und Publikumsnähe gelingt ihnen mühelos und zusammen mit den auf Party ausgerichteten Hymnen rennen die fünf Herren beim Publikum neunzig Minuten lang offene Türen ein. Da verzeiht man für einmal sogar das Zugabenspiel, das bei einem Auftritt mit klar kommunizierter Endzeit nach wie vor überflüssig bleibt. Die Leute sind einfach glücklich über den tollen Auftritt.

Kaufi: Es macht zudem nochmals einen enormen Unterschied aus, wieviel Spielzeit, man der Band gibt. Auf der 70‘000 Tons of Metal Cruise mussten sie sich mit 45 Minuten zufriedengeben und haben dennoch abgeräumt, obwohl auch das Publikum insgesamt nicht unbedingt „ihr eigenes“ war. Doch heute, mit 90 Minuten ein volles Programm, massenhaft eigene Fans, da kann nichts schiefgehen. Ein regelrechtes Best-of-Programm (siehe Setliste), welches vor allem aus Tracks der letzten drei Alben besteht (ein weiterer Beleg übrigens, dass nicht nur live enorme Fortschritte gemacht wurden!), eine prima einstudierte Show mitsamt Konfettikanonen zu Beginn, grossem Lichtbanner hinter den Drums und natürlich darf auch der Ausflug im Gummiboot ins Publikum nicht fehlen.

Einziges Problem meinerseits: Ich habe nach dem Fotografieren absolut NULL Chance, irgendwie zu Raphi durchzukommen, der mitten im Gewühl steht. Ähnlich wie schon beim Rock’n’Loc Festival wird hier kein Mensch durchgelassen, jeder „verteidigt“ seinen Platz ohne Gnade. So verziehe ich mich – „leicht“ genervt – in den wieder geöffneten Biergarten und versuche, so gut es eben geht, die Show im Nieselregen auf den Videoscreens zu verfolgen. Immerhin ist die Akustik da draussen so gut und klar, dass man die Musik sogar ohne Ohrstöpsel geniessen kann.

Die Setlist – Kissin‘ Dynamite

  1. Intro
  2. Back With A Bang
  3. DNA
  4. No One Dies A Virgin
  5. I’ve Got The Fire
  6. My Monster
  7. I Will Be King
  8. Heart Of Stone
  9. Queen Of The Night
  10. The Devil Is A Woman
  11. Only The Dead
  12. Six Feet Under
  13. Not the End Of The Road
  14. You’re Not Alone*
  15. Raise Your Glass*

*Zugaben

Die Fotos – Kissin‘ Dynamite

Doro

Raphi: Kissin’ Dynamite haben also die erwartete Show geliefert und gezeigt, dass sie alles mitbringen, was ein Headliner braucht, doch heute müssen sie die oberste Zeile auf dem Line-up der Pyraser Classic Rock Night teilen. Doro hat sich den Platz dort oben hart erarbeitet und ist von einem Urgestein der deutschen Metalszene zur international respektierten Queen of Metal geworden. Wird das ausreichen, um neben der vorangehenden Truppe bestehen zu können? Der Beginn ist schon mal energiegeladen und kraftvoll. So druckvoll habe ich Doro und ihr Heavy Metal nicht in Erinnerung. Wobei mein letztes Zusammentreffen mit ihr auch schon eine Weile zurückliegt (acht Jahre, um genau zu sein – hier könnt ihr nachlesen, wie es war). Rund dreissig Minuten lang schafft die Queen of Metal es, das Energielevel hoch zu halten, dann jedoch wechselt die Stimmung. Rund um «Für immer» kumuliert sich eine Handvoll Songs, die schlicht nicht spannend genug sind, um nachhaltig zu begeistern, einer davon das neue «Warriors Of The Sea». Dass sowohl das Gitarrensolo von Bill Hudson als auch das Drumsolo von Johnny Dee sehr lange ausfallen, hilft da leider nicht weiter. Besonders letzteres scheint nicht mehr enden zu wollen, was die mittlere halbe Stunde im neunzigminütigen Set zäh werden lässt. Aber Doro und ihre Band schaffen es anschliessend überraschend, die Schraube wieder anzuziehen und nochmals voll aufzudrehen. Da schlägt die langjährige Erfahrung sichtbar durch.

Abgesehen von den vollkommen überproduzierten Toms, die mit gefühlt tausend Samples unterlegt sind, ist am Sound übrigens nichts auszusetzen, an der Abmischung wie bereits den ganzen Abend hindurch schon gar nicht. Derart gut abgestützt gelingt es Doro, das Ruder zum Schluss herumzureissen und den Gig zu einem versöhnlichen Abschluss zu bringen. Erst widmet sie «Hellbound» Ozzy und allen Fans, nur um dann die Dampfkanone herauszuholen und begeistert in die Reihen zu feuern. Das Cover von «Breaking The Law» bräuchte es danach zwar nicht wirklich – abgesehen vom langsam gesungenen Intro bietet die Version von Frau Pesch nichts Neues –, aber die Menge feierts. Für mich sind «All We Are» und mehr als alles andere «Evil» die bessere Wahl.

Kaufi: Es ist so eine Sache mit Doro. Sie hat natürlich sehr, sehr viel getan für den Heavy Metal. Sie hat mit Warlock grossartige Alben gemacht («Triumph & Agony»), auch auf ihren Solopfaden finden sich immer wieder fantastische Hymnen («The Night Of The Warlock», «Raise Your Fist In The Air» «Warrior Soul»). Sie ist Fan, sie zeigt das auch immer und immer wieder. Doch auf der anderen Seite habe ich dann jeweils den Eindruck, dass sie dies zu sehr zur Schau stellt. Ein Beleg dafür ist sicherlich, dass das völlig ausgelutschte «Breaking The Law» immer und immer wieder gespielt wird. Dabei hätte sie das wirklich nicht nötig, sie hätte mehr als genügend eigenes, bockstarkes Material! Immerhin schafft es «Raise Your Fist In The Air» ins Programm.

Während ich im Fotograben stehe, animiert Doro das Publikum immer wieder mit ihren „Hey! Hey! Hey! Hey!“-Rufen. Die vorderen Reihen haben das allerdings nicht unbedingt nötig, denn da herrscht richtig gute Stimmung. Und doch spürt man in diesen Momenten den Unterschied zur vorherigen Band: Von „Kochen“ ist man (noch) weit weg. Nach den obligaten drei Songs kämpfe ich mich durch die Masse, zurück in den Nieselregen. Mein Energielevel ist praktisch auf null, ich verzichte deshalb leider auf den Midnight Special. Schweren Herzens! Warum? Das erklärt gleich Raphi. Ich schnappe mir ein Taxi und fahre ins Hotel. Gute Nacht…

Raphi: Gute Nacht, Kaufi. Damit sind wir am Schluss des neunzigminütigen Konzerts angelangt, es erklingt als Outro «Living After Midnight» von Judas Priest ab Konserve. Ein letztes Mal zeigt sich, dass Doro es einfach geniesst, Heavy Metal zu hören, zu spielen, zu leben: Wo jeder andere sich einfach mit einem Dank verabschieden würde, kann Doro nicht an sich halten und singt das Outro gemeinsam mit den Fans in den vorderen Reihen mit. Nicht bloss einige Zeilen, sondern beinahe den ganzen Song, wobei ihr anzusehen ist, dass sie am liebsten gar nicht mehr aufhören möchte. Das ist schon sehr herzig und tröstet auch darüber hinweg, dass ihre Fröhlichkeit während des Auftritts ob der manchmal zurückhaltenden Publikumsreaktionen hin und wieder aufgesetzt gewirkt hatte. Doch in diesem abschliessenden Moment ihrer Begeisterung kann man gar nicht anders, als sie sympathisch zu finden.

Die Fotos – Doro

Stinger Nochmals Tyketto

Raphi: Gut, dann stehen also noch Stinger auf der Running Order der Pyraser Classic Rock Night 2025. Die Band ist ein unbeschriebenes Blatt für mich, doch nach einem Blick auf die Bühne kann ich sagen: Die Herren, die da oben stehen sind das nicht. Das sind nämlich vielmehr Tyketto, die den Slot überraschend von Stinger übernehmen dürfen. Letzteren gebührt dafür einen herzlichen Dank und ich hoffe, dass sie nächstes Jahr eine Chance bekommen hier zu spielen (waren sie sowieso erst als Ersatz für Nitrgods zum Zuge gekommen). Tyketto kriegen also die Möglichkeit, ihren Classic Rock doch noch unter die Menge zu bringen, bevor sie wieder den Heimweg in die USA antreten. Frontmann Danny Vaughn bedankt sich umgehend bei Doro, die ihnen anscheinend geholfen hat, dass sie nochmals spielen können. Er und seine vier Kumpanen (darunter am Schlagzeug Johnny Dee, der nach seinem Einsatz bei Doro gleich sitzenbleiben konnte) sind bereits umgezogen und das verleiht dem Auftritt in Kombination mit dem fehlenden Backdrop eine ganz besondere Atmosphäre. Vielleicht liegt es an Dannys lebendiger Ausstrahlung, vielleicht an der Freude über den unverhofften Slot, dass Tyketto derart natürlich und frisch auf der Bühne wirken. Bei «Lay Your Body Down» atmet das Konzert zwischendurch gar die Atmosphäre einer gemeinsamen Jamsession.

Die Zuschauerreihen haben sich bereits merklich gelichtet, doch wer noch hier ist, kommt der Aufforderung zum Mitsingen nach, geniesst den ganz lockeren Auftritt und erfreut sich an einer grundpositiven Einstellung des Quintetts, die in den Ansagen zum Vorschein kommt. Insiderinfos kriegen wir ebenfalls. Sie seien in den letzten Jahren unerklärlicherweise nochmals um einiges bekannter geworden und dadurch an neue Orte, wie beispielsweise heute die Pyraser Classic Rock Night gelangt. Das habe sie motiviert, ein neues Album aufzunehmen, welches nächstes Jahr erscheinen wird. Nach einem Basssolo von Chris Childs steigert sich das Ganze schliesslich noch um eine Stufe, denn jetzt packen Tyketto die besten Songs des Abends aus. «Seasons» beispielsweise oder «The Run», zu dem Danny vorab die Geschichte seines Onkels erzählt, der aus dem Vietnamkrieg zurückgekehrte und sich danach seinen Traum erfüllte, an einem Bikertreffen teilzunehmen. Die Band ist voll im Flow, selbst «Standing Alone» als Ballade unterbricht den Konzertfluss nicht, bevor es mit «Sail Away» weitergeht und «Forever Young» von allen Anwesenden mitgesungen den krönenden Abschluss dieser Stunde bildet. Danach gehen die Lichter an und das musikalische Programm ist vorüber – Tyketto haben es mit einem Ausrufezeichen beendet.

Kaufi: Oh Mann, das nervt mich schon etwas, dass ich das verpasst habe. Die Setlist ist ja ein richtiger Traum: Sieben Tracks vom 10-Punkte-Debütalbum «Don’t Come Easy»… Jä nu, ich hoffe, es ergibt sich nochmals irgendwann die Gelegenheit, Danny & Co live zu sehen! (Raphi: Wenn du nach Bayern oder Hessen fährst, hast du die im Herbst tatsächlich schon – dann sind Tyketto nämlich auf Tour.)

Die Setlist – Tyketto

  1. Strength in Numbers
  2. Wings
  3. Burning Down Inside
  4. Circle the Wagons
  5. Lay Your Body Down
  6. Reach
  7. Seasons
  8. The Run
  9. Standing Alone
  10. Sail Away
  11. Forever Young

Das Fanzit – Pyraser Classic Rock Night 2025

Raphi: Durch den weiterhin fallenden Regen laufe ich zum Campingplatz, während meine Gedanken den heutigen Tag Revue passieren lassen. Wir sind heute in den Genuss von tollen Konzerten gekommen und die Soundcrew hat sich eine nochmalige Erwähnung für ihre einwandfreie Arbeit verdient. Das Zuhören war zu jeder Zeit ein Genuss. Die Pyraser Classic Rock Night konnte sich aber nicht nur mit gutem Sound empfehlen, sondern auch mit einer eigenen Atmosphäre, die durch diese Verbindung von Musik und Brauereifest entsteht. Der Erfolg spricht für sich: 4’200 Personen waren da, die Veranstaltung ausverkauft und trotz der wetterbedingten Anpassungen alles top organisiert. Mehr Worte sind gar nicht mehr nötig.

Kaufi: Ein absolut empfehlenswertes, schickes Festival, diese Pyraser Classic Rock Night! Die Atmosphäre wäre bei sonnigerem Wetter natürlich nochmals massiv besser, dass hier dennoch über 4‘000 Leute anwesend sind, spricht schon für sich. Da auch in den vergangenen Jahren das Line-up sehr oft durchaus in mein Beuteschema passt, würde ich einen erneuten Besuch 2026 sicher nicht ausschliessen. Raphi, was meinsch? 😉


Wie fandet ihr das Festival?

/ 12.08.2025
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