Rot-blaue Dominanz in Zürich
Wer bei diesem Titel an den FC Basel denkt, darf den Schal gleich wieder einpacken – diesmal flog kein Ball, sondern Haare in eben diesen Farben durch die Luft. Natürlich spreche ich von den Frontfrauen von Arch Enemy und Eluveitie, die das heutige hochkarätige Metal-Package anführen, meisterlich ergänzt durch Amorphis und Gatecreeper. Da kann eigentlich nichts schief gehen …
Arch Enemy nehmen heute den Posten des Headliners ein. Mit einer Stunde und zwanzig Minuten bekommen sie entsprechend den längsten Slot des Abends – exakt die gleiche Spielzeit, die sie ziemlich genau ein Jahr zuvor an gleicher Stelle (damals gemeinsam mit In Flames und Soilwork) zur Verfügung hatten.
Eluveitie und Amorphis, 2023 ebenfalls schon zusammen als Doppel-Headliner unterwegs – damals bin ich aufgrund meiner minimen Abneigung gegen das Komplex 457 in Zürich (siehe Fotos) für dieses Package extra nach München gereist und war begeistert –, treten diesmal als gleichwertige Support-Acts auf. Ihren Slot tauschen sie auf der laufenden Tour je nach Spielort, und beide erhalten heute respektable fünfzig Minuten Spielzeit, um ihre Highlights zu präsentieren.
Da bei der Anreise mit dem ÖV alles perfekt klappt und es beim Hotel Check-in keinerlei Wartezeit gibt, bin ich unerwartet früh – bereits zur ersten Band um circa 18:10 Uhr – in The Hall zu Dübendorf. Bewaffnet mit einem feinen Drink und grosser Vorfreude betrete ich die um diese Uhrzeit noch etwas bescheiden gefüllte Konzerthalle.
Gatecreeper
Bevor die grossen Namen die Bühne betreten, sorgen Gatecreeper aus Arizona für einen kompromisslosen Start. Eine Band, die mir bisher völlig unbekannt ist – was bei ihrem Stil nicht überrascht: klassischer Death Metal, und damit nicht unbedingt meine Baustelle.
Trotzdem gefällt mir das Dargebotene ausgesprochen gut. Die Musik kommt äusserst klar und wuchtig aus den Boxen, die Riffs drücken, die Growls sitzen, und die Rhythmussektion baut eine unerschütterliche Wand aus Sound auf. Mit dieser brachialen Gewalt wecken sie auch den Letzten, der dachte, das sei ein gemütlicher Dienstagabend.
Vielleicht kann jemand von den anwesenden Metalinside-Spezialisten etwas mehr Details zu diesem unerwartet starken Auftakt liefern.
pam: Ich musste eine halbe Stunde auf meinen Fotopass warten und hab Gatecreeper grad verpasst. Schade, das Echo von Freunden ist sehr positiv. Da ich die Band vorher auch nicht kannte, kann ich jedoch nicht wirklich was Gescheites ergänzen. Aber du hast das ja schon sehr gut beschrieben.
Amorphis
Als Nächstes betreten Amorphis die Bühne – und plötzlich liegt eine andere Energie im Raum. Wo Gatecreeper noch die Erde erschütterten, bringen Amorphis das Publikum zum Schweben.
Für mich persönlich das Highlight des Abends: Amorphis gehören seit Jahren zu meinen Top-Ten-Bands, und nachdem sie vor Kurzem mit “Borderland“ erneut ein grossartiges Album rausgehauen haben (können die Jungs überhaupt anders?!), ist die Vorfreude entsprechend gross. Wohl aufgrund der eher kurzen Spielzeit gibts jedoch nur zwei Songs vom neuen Werk, ergänzt durch ein klassisches Best-of-Set mit Dauerbrennern wie “House Of Sleep”, “Silver Bride”, “Black Winter Day” und “The Bee”.
Tomi Joutsen überzeugt wie so oft mit seinen dynamischen Wechseln zwischen gutturalem und cleanem Gesang, hat bei Letzterem aber – aus meiner Sicht – schon bessere Tage erlebt. Das ist allerdings Jammern auf gewohnt sehr hohem Niveau, denn die Band wirkt insgesamt unglaublich eingespielt und liefert eine dichte, atmosphärische Show. Überraschend wagt sich Esa Holopainen bei “Dancing Shadow” im Refrain sogar an ein paar Growls – ein nettes Detail, das den Auftritt zusätzlich auflockert.
Der unterdessen bereits gut gefüllten Halle gefällt der progressive Melodic Death Metal der Finnen sichtlich: Köpfe nicken, Fäuste fliegen in die Höhe – und spätestens bei “The Bee” ist klar: Wer so einen Rausschmeisser-Song im Gepäck hat, kann nur gewinnen.
Die Setlist – Amorphis
- Bones
- Silver Bride
- Wrong Direction
- The Moon
- Dancing Shadow
- Death Of A King
- Black Winter Day
- House Of Sleep
- The Bee
Eluveitie
Nach einer kurzen Erholungspause gehts Schlag auf Schlag weiter mit Eluveitie, und man merkt sofort, dass hier Heimvorteil herrscht. Fabienne Erni, deren kupferrote Haare im Bühnenlicht regelrecht glühen, zieht das Publikum vom ersten Ton an in ihren Bann. Gemeinsam mit Chrigel Glanzmann führt sie das Ensemble mit starker Präsenz und hörbarer Leidenschaft durch ein druckvolles, abwechslungsreiches Set. Fabiennes klare und kraftvolle Stimme bildet dabei den perfekten Gegenpol zu den harschen Growls Glanzmanns.
Im Vergleich zum Auftritt am Rock The Lakes im August merkt man deutlich, dass die Band nach bereits einigen Performances auf dieser Tour viel eingespielter ist und das Timing besser stimmt. Zudem kann man ohne den beim Festival damals sehr exzessiv eingesetzten Shownebel bestens erkennen, mit wie viel Spielfreude die achtköpfige Truppe am Werk ist. Trotz der kürzeren Spielzeit gefällt mir der heutige Auftritt deutlich besser.
Wie schon bei Amorphis setzt die Band eher auf ein Best-of-Set und spielt nur zwei Songs vom aktuellen Album. Songs wie “Ategnatos”, “A Rose For Epona”, “Ambiramus” und “The Call Of The Mountains” (hier natürlich in der schweizerdeutschen Version) verbinden Melodie, Folklore und Härte zu einer mitreissenden Symbiose. Nach dieser Darbietung und dem abschliessenden “Inis Mona” ist wohl dem allerletzten Metal-Fan im Saal klar, warum die Band weltweit zu den Aushängeschildern des modernen Folk Metals gehört.
Die Setlist – Eluveitie
- Ategnatos
- Deathwalker
- The Prodigal Ones
- Exile Of The Gods
- A Rose For Epona
- Premonition
- Ambiramus
- De Ruef vo de Bärge
- King
- Inis Mona
Arch Enemy
Nach einer kurzen Umbaupause übernehmen Arch Enemy die Halle. Alissa White-Gluz stürmt mit ihren ikonischen, leuchtend blauen Haaren – die heute im Rampenlicht wirken, als wären sie frisch gefärbt – auf die Bühne und entfesselt sofort ein Sturmgewitter aus Energie, Präzision und Power. Im Vergleich zum Vorjahr wirkt sie deutlich besser gelaunt und sucht von Beginn an verstärkt die Nähe zum Publikum. Bereits während der ersten drei Songs steht sie immer wieder am Bühnenrand, was auch die Fotografen im Graben sichtlich freut.
Michael Amott und Joey Concepcion liefern dazu messerscharfe Gitarrensoli, während Daniel Erlandsson am Schlagzeug mit maschineller Präzision den Takt vorgibt. Im Set werden gegenüber 2024 lediglich drei Songs ausgetauscht: Auf Kosten von “House Of Mirrors” und “The World Is Yours” finden dem Tourmotto entsprechend zwei neue Tracks vom aktuellen Album ihren Weg ins Programm, und vom War Eternal-Album wird “As The Pages Burn” durch “Avalanche” ersetzt.
Showelemente sind bei Arch Enemy traditionell eher spärlich gesät – und werden auch nicht vermisst. Die Musik spricht für sich. Eine abwechslungsreiche Lichtshow – inklusive jener nervös rotierenden Scheinwerfer hinter der Bühne (deren Bezeichnung wohl nur Lichttechniker kennen) – sorgt für Dynamik, und ein paar aufgeblasene Bälle beim letzten Song bringen eine verspielte Note ins Finale.
Vor der Zugabe, beim instrumentalen “Snow Bound”, bekommt die Band kurz Zeit, sich ohne Alissa auf der Bühne auszutoben – ein schöner Moment, der die technische Klasse aller Beteiligten noch einmal unterstreicht.
Nach rund achtzig Minuten verabschiedet sich die schwedische Melodic-Death-Metal-Grossmacht von einem sichtlich zufriedenen Publikum – nach einer Performance, die zugleich wuchtig, präzise und überraschend nahbar wirkte.
Die Setlist – Arch Enemy
- Deceiver, Deceiver
- Ravenous
- Dream Stealer
- Blood Dynasty
- War Eternal
- My Apocalypse
- Illuminate The Path
- Liars & Thieves
- The Eagle Flies Alone
- First Day In Hell
- Sunset Over The Empire
- No Gods, No Masters
- Avalanche
- Snow Bound (Instrumental)
- Nemesis
- Fields of Desolation (Outro)
Das Fanzit – Arch Enemy, Eluveitie, Amorphis, Gatecreeper
Vier Bands, vier Stile – und doch ergibt alles ein harmonisches Ganzes. Gatecreeper eröffnen kompromisslos und roh, Amorphis bringen Atmosphäre und Tiefe, Eluveitie entfachen Emotion und Heimstolz und Arch Enemy krönen das Ganze mit Präzision und Power.
So unterschiedlich die Ansätze auch sind, sie ergänzen sich perfekt zu einem eindrucksvollen Querschnitt durch die moderne Metal-Landschaft. Jeder Act setzt seine eigene Farbe, und gemeinsam malen sie ein Bild, das kraftvoller kaum sein könnte. Angesichts der heutigen überragenden Performance von Fabienne Erni bekommt dieses Gemälde allerdings einen deutlichen Rotstich.
Auf dass uns die Booking-Agenturen auch in Zukunft noch oft mit solch abwechslungsreichen und ausgewogenen Packages verwöhnen, denn wenn Vielfalt so klingt, darf sie gerne zur Regel werden.

