Metalinside.ch – Amaranthe – Pont Rouge Monthey 2020 – Foto Sandro 6
Mo, 3. Februar 2020

Amaranthe – Interview mit Olof Mörck

23.02.2020
Metalinside.ch – Amaranthe – Pont Rouge Monthey 2020 – Foto Sandro 6

Den Hass einfach weglachen …

Am Montag, 3. Februar 2020 nutze das schwedisch-dänische Sextett Amaranthe einen Day-Off von der Great Tour für eine von insgesamt vier Headlinershows. Wohl wissend, dass ihr elektro-inspirierter Sound nicht überall in der Kutten tragenden Schwermetallgemeinde Anklang findet, ergriff Metalinside die Chance, Gitarrist Olof Mörck in Monthey zu interviewen. 

So klein die Halle, so beschaulich auch der Ort unseres Gespräches. Im zu einer Art flauschigen Erker ausgebauten Dachgeschoss der Pont Rouge (Monthey, VS) lümmelt sich Olof gemütlich auf einer Couch, derweilen der Rest der Band sich je nach Gusto auf den bevorstehenden Auftritt vorbereitet (siehe Konzert-Review).

Eine Sitznische weiter beginnt Frontfrau Elize Ryd ihre Schminkutensilien auf dem Boden auszubreiten, derweil Growler GG6 gedanklich wohl bereits bei seinem  bevorstehenden Kurzauftritt mit der Vorband Blind Channel ist. Entsprechend entspannt beginnt dann auch mein erstes Interview seit beinahe 30 Jahren…

Am Abend zuvor waren Amaranthe im Rahmen der Great Tour noch im belgischen Antwerpen als Anheizer für Sabaton aufgetreten – nun spielen sie tags darauf im knapp 800 Kilometer entfernten Monthey in der Schweiz, direkt vor der Halle parkt ihr blauer Tourbus – das heimliche Mastermind der in Göteborg beheimateten Combo wirkt jedoch alles andere als müde und zeigt sich bei unserem etwas mehr als 30 Minuten dauernden Gespräch bestens aufgelegt und voll konzentriert…

Metalinside.ch (Sandro): Olof, zuallererst ganz herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Ihr kommt direkt von Belgien, ist es nicht ziemlich ermüdend, jede Nacht weiter zu reisen?

Olof Mörk: Unser Tourbus ist ziemlich komfortabel, er hat bequeme Schlafkojen und eine tolle Lounge auf der man gemütlich abhängen kann. Es ist definitiv nicht so wie in einem normalen Bus zu reisen, aber ja, es sind sehr viele Kilometer, die wir darin zurück legen und es gibt praktisch keine Days-Off.  Und du merkst, dass du unterwegs bist, selbst während du schläfst. Morgen geht es bereits weiter nach Barcelona, was eine sehr lange Fahrt sein wird. Wir planen, hier um 00:30 abzufahren und werden so um die 13 Stunden später ankommen. Aber wir machen das jetzt schon seit über 10 Jahren und wissen, worauf wir uns da einlassen.

MI: Inwiefern beeinflusst das viele Reisen euer Privatleben, eure Beziehungen, schliesslich seid ihr pro Jahr gut und gerne 200 Tage unterwegs?

OM: Das mit den 200 Tagen dürfte in etwa hinhauen, eventuell sogar mehr. Und es ist sicher richtig, dass es schwieriger ist, enge Beziehungen zu deinen Freunden aufrecht zu erhalten, als wenn du zum Beispiel irgendwo ansässig bist. Meine Ehefrau (Cătălina Popa, Querflötistin bei Haggard) ist auch Musikerin, und da sie ebenfalls viel unterwegs ist, versteht sie das voll und ganz. Wir schaffen es auch nicht immer, unsere Tourneen perfekt aufeinander abzustimmen…. Zuerst tourte sie durch Südamerika, nahm anschliessend an den 70’000 Tons Of Metal teil, und als sie zurück nach Europa kam, begleitete sie uns für ein paar Tage auf unserer Tour. Man muss einfach schauen, dass es irgendwie passt.

MI: Vor rund einer Stunde hattet ihr ein Greet & Meet mit euren Fans – was bedeuten euch solche speziellen Momente?

OM: Für mich persönlich ist das jeweils der Höhepunkt des Tages, wenn ich so direkt mit unseren Fans zusammen sein und mich mit ihnen unterhalten kann. Normalerweise spielst du einfach dein Set und schüttelst danach vielleicht noch ein paar Hände, aber wenn du bei so einem Treffen wie gerade eben den ganzen Enthusiasmus, die Begeisterung für das, was du macht spürst, dann gibt dir das auch sehr viel für die Show. Es macht mir dann noch mehr Spass, da oben zu stehen und zu spielen.

MI: Sprechen wir über die Great Tour. Was mir in Zürich schon aufgefallen ist, und sich dann auch auf vielen YouTube-Videos von weiteren Auftritten wie Stuttgart oder München fortgesetzt hat, ist, dass recht viele Leute, die eigentlich wegen Sabaton zum Konzert kommen, Amaranthe ebenfalls zumindest ein wenig zu kennen scheinen. Woran liegt das aus deiner Sicht?

OM: Ich denke, wir haben über die sozialen Medien wie Spotify und YouTube eine recht gute Bekanntheit erreicht und im Vergleich zu anderen Bands unserer Grösse spielen wir auch ziemlich viele Shows. Es gibt sicher viele Leute, die ein paar Songs von uns kennen und auch mögen, sich aber nicht zu 100% sicher sind, ob sie auch wirklich zu einem Amaranthe-Konzert gehen möchten. Aber wenn sie uns dann zusammen im Package mit Sabaton sehen, dann denkt sich vielleicht der eine oder andere, wow, das mit den drei Sängern ist wirklich eine coole Sache. Solche Touren sind für uns die perfekte Gelegenheit, weitere Fans dazuzugewinnen und den Leuten zu zeigen, dass wir nicht nur ein Haufen gute Musiker sind, gute Songs und nette Alben schreiben, sondern dass wir auch als Live-Performer etwas zu bieten haben.

MI: Ihr spielt auf der Great Tour wie vor rund zwei Wochen in Zürich in sehr grossen Hallen vor tausenden von Zuschauern. Heute Abend dann das pure Gegenteil, das Pont Rouge hier in Monthey ist im Vergleich dazu richtiggehend winzig. Was gefällt euch besser?

OM: Ein netter Kontrast (lacht). Ich denke, es ist so ein typisches Rock-Ding, dass du sagst, dass du diese spezielle, intensive Atmosphäre und die Nähe zum Publikum bei so Veranstaltungen magst. Und um ganz ehrlich zu sein, das trifft bei uns voll zu. Wir haben uns bewusst für recht kleine Hallen entschieden, die auf der Route unserer Tour liegen. Wir spielen zusammen mit Sabaton ja in den meisten europäischen Hauptstädten und da können wir nicht gut zwei Mal auftreten. Wir haben bereits zwei Headlineshows gespielt (Dornbirn, Linz), und das Publikum ist so viel kleiner, vielleicht ein Prozent im Vergleich zu gestern Abend. Aber es macht einfach so enorm viel Spass, genau die Songs spielen zu können, die du im Set haben möchtest. Und vor allem anderen, es sind *deine* Fans, zu 100%. Es sind kleine Shows, auch für unsere Verhältnisse, wir könnten als Headliner durchaus auch in grösseren Hallen spielen. Aber dieser Kontrast ist einfach fantastisch, von den riesigen Arenen zu einem kleinen Club irgendwo mitten in den Alpen. Es ist keine definitiv schlechte Sache, es hält dich auf Trab.

MI: Mit „82nd All The Way“ habt ihr ein tolles Sabaton-Cover aufgenommen. Wieso fiel eure Wahl genau auf diesen Song,  wieso nicht „Ghost In The Trenches“ oder „Red Baron“?

OM: Es war nicht wirklich unsere Entscheidung. Die Jungs von Sabaton haben uns das vorgeschlagen, genauer gesagt Pär.  Wir haben uns mit ihnen unterhalten, was wir machen könnten, eine Zusammenarbeit oder ein Cover… sie meinten, „wir haben diesen Song, er ist komplett neu – das war noch, bevor das Album veröffentlicht worden war – was denkt ihr darüber?“ Und sobald ich den Chorus gehört hatte dachte ich mir, das wird klappen. Das ist genau die Art, wie auch wir einen Chorus aufbauen würden, und dieser erste Eindruck hat sich im Studio dann auch voll und ganz bewahrheitet. Wir hatten das Cover übrigens auch sehr schnell im Kasten, alle Puzzleteile fielen sehr schnell an ihren Platz.

MI: Mein älterer Sohn ist ein riesiger Sabaton-Fan, und nach der Veröffentlichung eurer Version von „82nd All The Way“ hatten wir lange Diskussionen, welche Version nun besser sei. Ich für meinen Teil habe selten eine Band gehört, welche einer Cover-Version so stark ihren eigenen Stempel aufgedrückt hat.

OM: (lacht) Das ist für mich auch der Grund, wieso wir nebst unseren eigenen Sachen auch Covers machen. Du solltest das Original nehmen und es so gestalten, dass es dann einfach nach dir klingt.

Wie bereits gesagt, als ich den Chorus gehört habe und wie der Song arrangiert ist, da musste ich an unsere drei Sängern denken und war überzeugt, dass es sehr stark nach Amaranthe klingen würde. Lustig ist, dass es viele Leute gab die monierten, das töne halt wie all die anderen Amaranthe-Songs und dabei gar nicht realisierten, dass es sich um ein Cover handelt. Ich nahm das als Kompliment (lacht).

MI: Gab es nie die Idee, den Song live zu spielen, vielleicht sogar zusammen mit Sabaton? Die drei Sänger könnten zusammen mit dem Hauptact performen und Joakim sich in der Zwischenzeit in Ruhe ein Bierchen gönnen.

OM: Ja, genau (lacht) Vielleicht, vielleicht auch nicht, da musst du einfach abwarten. Das ist offen gestanden etwas, das wir noch nicht im Detail besprochen haben, aber wer weiss, es liegen ja noch ein paar Shows vor uns. (Anmerkung: In Oslo, der letzten Station der gemeinsamen Tour, kam es dann wie irgendwie auch erwartet zur Welturaufführung. Elize, Henrik und Nils performten zusammen mit Pär, Chris, Tommy und Hannes den Grossteil des Songs, Joakim gesellte sich für den letzten Refrain hinzu – ob das mit dem Bier ebenfalls zutraf entzieht sich leider meiner Kenntnis 😉 )

MI: Habt ihr schon Reaktionen von Sabaton erhalten, wie ihnen eure Version gefällt?

OM: Ja, und sie mögen es sehr. Als wir den Song das erste Mal abgemixt hatten, habe ich ihnen ein Demo zugesandt und sie fanden es „fucking awesome“. Es ist ein toller Song, und es auch riesigen Spass gemacht damit zu arbeiten. Sabaton ist ja auch eine fantastische Band.

MI: Hängt ihr auf Tour hin und wieder mit Sabaton ab oder geht ihr eher eigene Wege?

OM: Wir haben separate Dressing Rooms, das schon (lacht). Wir kennen sie schon recht lange und haben im Sommer 2014 auch kurz zusammen auf einigen Festivals getourt. Wir waren bereits vor der Great Tour gute Freunde, und ich kann mich nicht erinnern, dass wir auf einer Tour jemals so freundlich behandelt wurden, sei es von den Leuten vom Catering bis hin zu den Stagetechnikern. Manchmal, wenn du der Opener bist… der Headliner muss sich um sein Set kümmern, denn so verdienen sie ihr Geld und wegen ihnen kommen auch die ganzen Leute, da kommt es schon mal vor, dass du dich wie das fünfte Rad am Wagen fühlst. Aber Sabaton haben wirklich ein offenes Ohr für alle Details. Sie sind extrem nett zu uns.

MI: Wenn man sich den Videoclip zu „82nd All The Way“ anschaut, so hat man das Gefühl, dass ihr bei den Aufnahmen sehr viel Spass hattet. Elize rennt im ganzen Studio herum…

OM: Das ist nicht gefaked (lacht).

MI: Ist das so grundsätzlich eure Stimmung, wenn ihr aufnehmt, oder war das nur bei diesem Song so?

OM: Es kommt immer auch etwas darauf an, in welcher Phase der Aufnahmen du gerade steckst. Wenn ich herum sitze und zwei Wochen lang nur Keyboards und Gitarren arrangiere, dann springe ich auch nicht andauernd vor Freude in die Luft.  Aber wenn wir die Vocals aufnehmen, das ganze mixen und die Dinge anfangen, langsam wie bei einem Puzzle an ihren Platz zu fallen, dann beginnen wir die ganze Energie zu spüren, und dann werden wir wirklich sehr aufgeregt. Da wir ziemlich energiegeladene Up-Tempo Musik machen, kannst du nicht wirklich traurig und geknickt im Studio herum sitzen. Also ja, das Video gibt recht gut wider, wie es bei uns zuweilen zu und her geht.

Elize (die mit mindestens einem Ohr mithört) ergänzt: Es war quasi ein kleines Fotoshooting (lacht).

MI: Als ihr 2008 mit Amaranthe begonnen habt, hattet ihr da die Idee, eine völlig neue Art von Metal Sound zu kreieren, oder hat sich das eher zufällig ergeben?

OM: Es war eine sehr bewusste Entscheidung, etwas wirklich Neues machen zu wollen. Ich persönlich habe vorher sehr viel Power und Death Metal bei Dragonland und Nightrage gespielt. Ich war damals an einer Art Wendepunkt angelangt und habe mir die Frage gestellt, wie es nun weiter gehen soll. Versuche ich, eine dieser beiden Bands wirklich gross heraus zu bringen oder beginne ich etwas komplett Neues. Als mir klar wurde, dass das Wandeln auf alten Pfaden keine Option war, hatte ich auch recht schnell die Grundidee zusammen. Es sollte etwas werden, was es so noch nicht gab – kein zweites Nightwish oder was auch immer, kein Sabaton Rip-Off, sondern etwas, das so kreativ wie nur irgendwie möglich ist. Und ich denke, so ging es damals allen in der Band. Jeder war wirklich heiss darauf etwas auszuprobieren, das so zuvor noch nicht gemacht worden ist, und schon gar nicht in diesem Ausmass. Als wir dann die ersten Demos hatten wussten wir, dass sich darauf aufbauen lässt. Drei unterschiedliche Sänger, viele unterschiedlichen Elemente, die da zusammen fliessen.. Wir waren bereits vor den ersten Veröffentlichungen ziemlich zuversichtlich, dass das funktionieren wird.

MI: Wie würdest du eure Musik beschreiben. Im Preview zu dieser Show habe ich den Begriff Melodic-Death-Pop-Trance-Power-Metal verwendet…

OM: Das trifft es ziemlich genau. Es ist immer schwierig, sowas zu umschreiben, speziell wenn du selber so eng damit verbunden bist. Du machst die Musik und die anderen Leute bestimmen dann darüber, nach was es in ihren Ohren klingt. Jemand hat es mal Death Pop genannt. Oder Dance Metal, auch mit dem kann ich mich einverstanden erklären. Ich denke, den Begriff, den wir selber verwenden, dieses Modern Melodic Metal ist nicht wirklich beschreibend, es sagt dir auch nicht, was du von unserer Musik erwarten kannst – ich denke, deine Definition bringt es so ziemlich auf den Punkt (lacht).

MI: Es gibt Leute, die mit eurer Art von Musik nichts anfangen können, euch in Sozialen Medien massiv angreifen oder auch gegen Elize, ihren Stil oder wie sie sich auf der Bühne gibt, hetzen. Wie geht ihr mit solchen eher unschönen Reaktionen um?

OM: Eigentlich gar nicht. Als 2011 unsere erste Single „Hunger“ erschien, war es viel schlimmer. Die Leute haben sich dermassen aufgeregt (lacht)… Aber zu diesem Zeitpunkt waren wir schon alles recht erfahrene Musiker, ich hatte schon fünf oder sechs Alben veröffentlicht, daher hatte ich eine gewisse Vorstellung davon, was an negativem Feedback da auf uns zukommen kann. Ich war ja in einer Power Metal Band namens Dragonland, und das war ein bisschen wie wenn du ein „Kick me“-Schild auf deinem Rücken trägst. Wir waren darauf vorbereitet, dass da einiges an Hass auf uns zukommen könnte, aber wenn ich zurückblicke, wie sich die Band in den letzten acht, neun Jahren entwickelt hat, so sind die negativen Reaktionen doch deutlich weniger geworden. Es wird nie ganz aufhören, da immer wieder neue Leute unsere Musik kennen lernen und denken, das sei kein True Metal. Wir haben auch ältere Fans, die nur die ersten beiden Alben gut finden, da diese so viel mehr Metal gewesen seien oder wie immer sie es empfinden – auch wenn ich dem nicht zustimmen kann.

MI: Ich finde, Helix hat den Spirit der alten Alben wieder etwas aufgegriffen…

OM: Ein bisschen, ja. Eher härter, würde ich sagen. Schlussendlich ist es einfach so im Leben wenn du Musik aufnimmst. Es ist deine Art künstlerische Vision, die du umsetzt. Und schlussendlich ist klar, dass es subjektive Kritik geben wird, das kannst du nicht vermeiden und das ist auch gut so. Entweder du lernst damit umzugehen oder du veröffentlichst nichts. Und es ist noch immer besser, wenn die Leute auf das, was du machst, reagieren, als wenn es ihnen völlig gleichgültig wäre. Wenn du dich mit der ganzen Negativität auseinanderzusetzen beginnst, wird es nur noch schlimmer und du gehst daran zugrunde. Wir lachen darüber respektive lachen es weg.

MI: Wie wichtig sind die Sozialen Medien wie Facebook oder Instagram für euch?

OM: Soziale Medien sind für uns extrem wichtig und ich denke, das trifft heutzutage auf jede moderne Band zu. Der grosse Unterschied bei uns ist, dass genau dies die Grundlage war, auf der wir Amaranthe aufgebaut haben. Wir nutzten ganz zu Beginn die unterdessen gelöschte mySpace-Plattform, und so erreichten wir auch unsere ersten Fans. Als wir so um 2010 unsere ersten Konzerte gaben, hatten wir zwar noch kein Album veröffentlicht, doch die Leute kannten uns und unsere Songs. Ich denke, wir gehörten zu den allerersten Bands, die es auf diesem Weg versucht haben. Als wir dann bei den Record Labels vorstellig wurden, hatten wir schon etwas aufgebaut, es gab eine Nachfrage nach Amaranthe. Und wir wollen auch jetzt noch in den sozialen Medien so sichtbar wie nur irgendwie möglich zu sein. Wir versuchen auch Next Level Videos einzustellen (zu welchen wohl auch das eben erschienene „Do Or Die“ gezählt werden darf), welche Aufmerksamkeit erregen. Spotify ist ebenfalls eine fantastische Plattform für uns. 1 Million Zuhörer pro Monat, das sind wirklich tolle Zahlen für uns. 

MI: Was ich persönlich auch sehr sympathisch finde ist, dass ihr euch auf FB und Instagram nach jeder Show in der jeweiligen Landessprache bei den Fans bedanken..

OM: Heute Abend ist „Merci beaucoup“ angesagt, oder? (lacht)

MI: Blicken wir noch etwas in die Zukunft. Seid ihr bereits daran, neue Songs für das nächste Album zu schreiben?

OM: Ja, das Ganze ist schon recht weit fortgeschritten. Später in diesem Jahr werden wir ein neues Album veröffentlichen und zuvor noch einen neuen Song – das ist eigentlich noch ein Geheimnis, aber Nuclear Blast hat bereits etwas in dieser Richtung verlauten lassen (Anmerkung: Am Valentinstag 2020 erschien mit „Do Or Die“ eine Single, bei welcher die ehemalige Arch Enemy-Shouterin Angela Gossow die Growls beisteuerte). Aber es war wirklich sehr aufregend, wieder ins Songwriting einzutauchen. Das letzte Jahr war sehr arbeitsreich, aber nun können wir all die Energie von den coolen Live-Shows, der Tour und den Sommer Festivals mitnehmen und in unsere Musik packen. Wir haben zudem ein neues Management (die oben genannte Angela Gossow) und ein neues Musik Label (Nuclear Blast), also jede Menge Motivation, um das nächste Level anzustreben.

MI: Was bedeutet „Next Level“ in diesem Zusammenhang?

OM: Zunächst mal noch mehr Energie in unsere Arbeit zu stecken. Versuchen, etwas Neues zu kreieren und dabei doch seinen musikalischen Wurzeln treu zu bleiben. Ich denke, es wird vom Ansatz her eher das Gegenteil von „Sticking to your guns“ werden, kein „das letzte Mal hat es so ja auch geklappt“. Bei einer Band wie uns, die sich etabliert hat, indem sie neu und frisch daherkommt, ist es wirklich lebensnotwendig, dass sie sich immer wieder neu erfindet. Aber du darfst es dabei auch nicht übertreiben, sonst verwirrst du deine Fans –  und dich selbst gleich mit. Das Wichtigste am Ende eines Tages ist immer noch, dass du so gute Songs wie nur irgendwie möglich schreibst. Denn wenn du das nicht schaffst, dann kommt es auch nicht darauf an, wie cool die Keyboards klingen oder was für fantastische Sänger du hast…

MI: Woher nehmt ihr die Ideen?

OM: Die meisten Songs werden von Elize und mir geschrieben. Manchmal – ich würde nicht sagen sehr oft – haben wir bereits zu Beginn eine klare Idee, in welche Richtung das Ganze gehen soll. Es kann auch passieren, dass du einen Song im Radio hörst, von dem du nicht mal den Titel kennst, und der geistert dir dann im Kopf herum und du denkst, so etwas in diese Richtung wäre toll. Oder dass dir ein Songtitel einfällt, der aus irgend einer Diskussion im Tourbus oder im Aufenthaltsraum heraus geboren wurde. Ich versuche immer mit offenen Augen durchs Leben zu gehen und dabei die ganzen Ideen aufzusaugen.

MI: Das trifft wohl auch auf eure Lyrics zu. Magst du Science Fiction?

OM: Klar, auf jeden Fall – das ist ziemlich offensichtlich. (lacht)

MI: Wie schreibst du eure Songtexte. Liest du ein Buch und versuchst dann, etwas daraus für eure Songs umzusetzen?

OM: Nicht wirklich auf die Art und Weise. Es kann bei uns durchaus vorkommen, dass wir eine Idee für einen Liedtext haben, aber wir kreieren die Lyrics in der Regel nachdem wir den Song geschrieben haben. So hat man ein emotionales Verständnis für die Struktur und den Kontext, und das sagt dir dann auch, in welche Richtung es mit den Lyrics gehen sollte.  Es ist wirklich wie wenn du im Nachhinein versuchst, deine eigene Musik zu interpretieren. Musik hat viel mit Emotionen zu tun, wir bringen diese Emotionen auf Band und versuchen danach, diese zu beschreiben, auszuarbeiten und in Worte zu fassen. Das ist für uns eine wirklich coole Art zu arbeiten. In meinen früheren Bands lief das auch schon mal anders, da fingen wir mit den Lyrics an und haben den Song dann rund herum geschrieben.

Und wenn es um Einflüsse geht… Ich habe viel von Isaac Asimov gelesen, aber auf unsere Songtexte hat das eher wenig Einfluss. Ich bin halt auch ein grosser Fan von Science Fiction Filmen – wenn, dann kommt es wohl eher daher. Ich denke, alles was irgendwie futuristisch ist, passt sehr gut zu unserer Art von Musik.

MI: Wenn ihr mit dem Songwriting für ein neues Album beginnt, habt ihr da im Hinterkopf, dass mindestens ein oder zwei Hits dabei sein sollten um das Album zu promoten oder geschieht das einfach?

OM: Es ist wohl beides. Ich glaube nicht, dass wir sowas wirklich planen, so à la „jetzt ist der Moment gekommen um sich hinzusetzen und einen Hit zu schreiben“. Wenn wir an einem neuen Album arbeiten, so kann es durchaus vorkommen, dass wir sieben ziemlich komplizierte Tracks haben und dann denken, dass es wohl nicht ganz so schlecht wäre, auch etwas eingängigeres darunter zu haben, etwas das mehr „straight forward“ ist. Aber damit befriedigst du im Prinzip ja auch deine eigenen Bedürfnisse, da du als Künstler schlussendlich auch etwas Abwechslung haben möchtest. Und Elize ist da ein wahres Genie, sie kommt immer wieder mit neuen „catchy“ Vocallines an. Es ist relativ einfach etwas als Hit zu vermarkten, wenn es aus ihrer Feder stammt.

MI: Amaranthe kennt verschiedene Settings was die Arrangements der Gesangsparts anbelangt. Meistens sind alle drei Stimmen in einem Song zu hören, manchmal nur Elize alleine wie in „Endlessly“, nur die beiden Clear Voices („True“, „Over and Done“, „Burn With Me“) oder Henrik & Elize als Duett („GG6“). Könntest du dir vorstellen, einen Song zu haben, in welchem nur die beiden männlichen Sänger vorkommen, also ohne Elize – oder anders gefragt, wie wichtig ist Elize im Gesamtkonstrukt Amaranthe?

OM: Sie ist auf alle Fälle extrem wichtig. Sobald du die Stimme von Elize weglässt, fehlt einfach etwas von diesem Amaranthe-Touch. Aber es wäre in der Tat ein interessanter Ansatz. Beim letzten Album „Helix“ war sowas noch nicht möglich, da Nils komplett neu in der Band war, aber jetzt, da sich die Leute an seine Stimme gewöhnt haben, könnte es durchaus Spass machen, das mal auszuprobieren (lacht). Es wäre vielleicht auch eine Chance für Elize, bei einem Konzert mal kurz die Bühne zu verlassen, zum Beispiel um sich umzuziehen. Das ist eben das coole daran, drei Sänger zu haben, es gibt so viele unterschiedliche Möglichkeiten wie du etwas arrangieren kannst. Und genau das ist auch etwas, was wir beim nächsten Album noch viel stärker ausprobieren möchten – effektiv ausloten, was möglich ist. Und ein weiterer grossen Vorteil, drei professionelle Entertainer auf der Bühne zu haben, ist die Möglichkeit dauernd mit dem Publikum kommunizieren zu können. Wäre es anders, magst du zwar einen tollen Sänger haben, der auch sehr gut auf das Publikum eingehen kann, aber zwischendurch muss er sich eben auch mal voll auf seinen Gesang konzentrieren, der Gitarrist hat die Hände an seinem Instrument, dasselbe beim Bass und Schlagzeug. Wir haben einfach mehr Möglichkeiten dadurch.

MI: Ich weiss, dir wurde diese Frage sicher schon tausende Male gestellt, aber einfach fürs Protokoll: Was bedeutet der Bandname Amaranthe?

OM: Es basiert auf dem griechischen Wort „Amerantos“, was einfach ausgedrückt für etwas steht, das nicht altert, nicht verblasst. Etwas Immerwährendes, in einer netten und freundlichen Art. Das ist auch das, was unsere Musik repräsentiert, die ganze Energie eben. Und auch wenn du 85 Jahre alt bist, dann ist es noch immer ok, zu dieser Art von Musik zu tanzen (lacht).

MI: Mal was völlig Anderes: Wenn du bei einer Fee die drei Wünsche frei hättest…

OM: Das klingt jetzt klischeehaft, aber zuallererst Gesundheit. Wenn du das nicht hast, dann hast du gar nichts. Zweitens, mit meiner wundervollen Frau für immer zusammen zu bleiben. Aber dafür brauche ich eigentlich gar keinen Wunsch (lacht). Und Nummer drei: Ein malerisches Schloss in den Bergen.

MI: Zum Abschluss: Elize hat am Konzert im Hallenstadion Zürich wortwörtlich gesagt „We are from Sweden, and we love Switzerland“. Was weisst du von der Schweiz? Warst du schon mal hier in den Ferien?

OM: Ich war hier leider noch nie in den Ferien, aber ich weiss von der Schweiz, dass es ein einzigartiges Land ist, seit dem 15. Jahrhundert unabhängig und dass es seither seinen eigenen Weg gegangen ist. Nicht zuletzt auch im 20. Jahrhundert, wo ihr neutral geblieben seid. In vielerlei Hinsicht ist das bewundernswert. Die Schweiz hatte stets ihre eigene Identität und hat sich nie in stupide politische Ränkespiele hinein ziehen lassen wie andere europäische Nationen, die über Jahrhunderte hinweg miteinander gezankt haben. In diesem Sinne ist es also ziemlich einzigartig. Sonst… Gutes Essen. Toller Käse, den ich vorhin beim Nachtessen kosten durfte (lacht). Schokolade, Uhren.. Das ist das, was man wohl am besten kennt. Auch ein wunderschönes Land was die Architektur anbelangt. Ich habe leider noch nicht genug davon gesehen.

Elize: Und es hat ganz tolle Fans hier.. Ich liebe zum Beispiel das Z7, das Publikum da war fantastisch. Für uns als Musiker ist die Schweiz wirklich ein tolles Pflaster.

Und ganz süss waren zum Beispiel auch „Die drei Musketiere“ – Fan-Girls, die mit Geschenken zu unseren Konzerten kamen. (lacht)

MI: Habt ihr noch eine spezielle Message an eure Fans hier in der Schweiz?

OM: Da komme ich gerne auf das zurück, was Elize gerade gesagt hat: Herzlichen Dank, dass ihr uns seit 2011 unterstützt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir in Zürich zum ersten Mal in der Schweiz gespielt haben. Wir hatten damals schon sehr viel Support durch euch, haben viele T-Shirts verkauft… Und danke, dass ihr auch immer wieder zu unseren Shows kommt.  Wir werden es euch schon sehr bald mit weiteren Auftritten danken.

MI: Bonusfrage: Ihr habt immer so geniales Artwork auf euren Platten und den Merchandising-Artikeln. Wer entwirft das?

OM: Es ist ein portugiesischer Designer namens Gustavo Sazes. Er macht ganz geniale Sachen. Er hat auch unser Logo entworfen, alle unsere Plattencovers, fast alle unsere T-Shirts. Er ist extrem talentiert (gustavosazes.com).

Beim Hinausgehen stolpere ich dann fast noch über die Schminkdosen, die Elize vor sich ausgelegt hat. Nicht nur die Konzerte selbst sind bei solch kleinen Locations sehr speziell… Ach ja, Olof hat bei seinen Gedanken zur Schweiz erwähnt, dass er nebst Käse auch Schokolade sehr mag (wie übrigens die ganze Band) – entsprechend erfreut zeigt er sich dann auch über die „Schutzengeli“, welche ich als kleines Präsent mitgebracht habe (eine Art Schokoladekugeln, deren schweizerdeutschen Namen er sofort als „Guardian Angels“ übersetzt) – Völkerverständigung der besonderen Art 🙂

Autor
23.02.2020
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