Lordi - Z7 Pratteln 2022
Di, 15. November 2022

Lordi, Almanac, Dymytry

Z7 (Pratteln, CH)
24.05.2023
Lordi - Z7 Pratteln 2022

Die spinnen, die Finnen!

Wenn jemand die Zeit während der coronabedingten Zwangspause gut genutzt hat, dann waren das Lordi! Mit sieben (resp. acht) neuen Alben im Gepäck begaben sie sich nun auf Tour und beehrten dabei zusammen mit Almanac und Dymytry am 15. November das Z7.

Von «Killection»…

Sag mal, Domi the Stick, spinnst du? Sieben Alben während Corona; was soll der Sch**ss?! Doch, geneigter Leser, das ist weder ein Fehler noch habe ich diesen Blödsinn erfunden. Schon das zehnte Studioalbum, «Killection», war ja ein Best Of-Album mit Hits aus fünfzig Jahren fiktiver Bandgeschichte. Ganz im Stil von «Was wäre, wenn es Lordi nicht seit den Neunziger-, sondern seit Anfang der Siebzigerjahre geben würde?»

Besagte fiktive Kompilation erschien im Januar 2020. Wie es sich gehört, wäre diese dann live auf der «Killectour» promotet worden. Betonung auf ‘wäre’, denn es kam ja eine Kleinigkeit dazwischen… Auch die Konzerte in der Schweiz, z. B. der geplante Auftritt am 27. März 2020 im Z7, wurden verschoben. Zuerst in den Mai, dann in den Herbst, dann ins Folgejahr, dann noch weiter hinaus…

…zu «Lordiversity»

Massig Zeit für die Band also! Nach dem Erfolg von «Killection» (und weil die Zeitreise durch die eigene, nicht mal wahre Bandgeschichte Spass gemacht haben muss) dann der Clou: Weil ein ‘normales’ Studioalbum nach Killection ‘the most boring thing we could do’ gewesen wäre und eine zweite Kompilation ‘another boring idea’, standen nun plötzlich sieben Studioalben auf einmal auf dem Plan. Gerüchten zufolge wollte Mr. Lordi sogar zehn «Lordiversity»-Scheiben aufnehmen; doch das Label hielt das Mastermind der finnischen Band zurück und beschränkte die Geschichte auf sieben Alben. Wenigstens durfte der «Lordiversity»-Wahnsinn dann über einen Aprilscherz (siehe Vorbericht) angekündigt werden.

Gesagt, getan also. Gegen Ende 2021 brechen Lordi also ihren seit 2002 sehr konstanten 2-Jahres-Rhythmus und veröffentlichen die Studioalben 11 bis 17. Diese sind auf jeden Fall durchdacht: Jedes Album hat ein fiktives Erscheinungsjahr zwischen 1975 und 1995 und einen eigenen Musikstil, der sich auf Einflüsse aus der ‘richtigen’ Musikgeschichte zurückführen lässt. Die auf bisherigen Alben zu findenden, durchnummerierten «SCG»-Tracks bekamen negative Indizes: «SCG Minus 1», «SCG Minus 2», etc. Ah, und natürlich sind auch die für «Killection» zusammengezogenen Best Of-Songs über die «Lordiversity»-Alben verteilt zu finden.

Doch halt! Dies ist ja gar keine Albumreview, sondern ein Konzertbericht. Kommen wir also zum Kern der Angelegenheit!

Dymytry

Wobei besagte Angelegenheit gar nicht mit Lordi, sondern mit Dymytry beginnt… Die Tschechen haben mich schon 2018 im Vorprogramm von Hämatom begeistert.

Heute dauert es einen Moment, bis ich in Stimmung komme (und nein, nicht wegen der Verspätung von circa einer Viertelstunde). Doch spätestens nach etwa eineinhalb Songs hat mich das Quintett wieder gepackt. Zwar hatte ich deren Sound etwas härter in Erinnerung; immerhin verglich ich ihren «Psy-Core» damals unter anderem mit Melodeath…. Nichtsdestotrotz macht der Auftritt unheimlich Spass. Wie auch schon damals ist Mildors Drumsolo ein Highlight des ganzen Auftritts. Schon zuvor kennt der Typ in Sachen Abgehen kein Halten, doch während seinem Solo setzt er gekonnt noch einmal eins obendrauf.

Fronter Protheus überzeugt derweil nicht nur mit seinen gesanglichen Fähigkeiten, sondern brilliert nach ein paar wenigen Sätzen auf Englisch mit seinen ausgezeichneten Deutschkenntnissen. Während den Songs erinnert er mich (vor allem, was seine Maske und seine Bewegungen angeht) etwas an Corey Taylor. Auch soundtechnisch liegen Dymytry gar nicht so weit weg: Hämatom mit Corey-Vocals (so wie bei Stone Sour, nicht wie bei Slipknot). Oder so.

Gegen Ende bittet der tschechische Opener noch einen Special Guest nach vorne. Es ist niemand anderes als Victor Smolski, der im nächsten Slot mit seiner Band Almanac die Bühne übernehmen wird. Bei der Verabschiedung wendet dieser sich sogleich ans Publikum und sagt, der Umbau dauere nicht lange und in 10 Minuten sei er wieder da.

Almanac

Aus 10 werden dann eher 15 Minuten, doch das ist eigentlich immer noch sehr schnell. Beim Schlagzeug muss nicht so wirklich viel umgebaut werden, was wie so oft hilft, die Wartezeiten niedrig zu halten. Es erklingt Musik. Songs von Lingua Mortis, um genau zu sein. Für interessierte Leser stelle ich gerne den Zusammenhang zur Metalgeschichte dar: Die deutsche Band Rage veröffentlichte 1996 ihr elftes Album namens «Lingua Mortis». Der Clou war, dass das Album zusammen mit einem richtigen Orchester aufgenommen wurde. Drei Jahre später kam Victor Smolski, der jetzt vor uns auf der Bühne steht, zu Rage, prägte die kommenden Jahre mit und war auch bedeutender Bestandteil von «Lingua Mortis Orchestra» – dem orchestralen Rage-Nebenprojekt. 2015 wechselte Bandkopf Peavy Wagner das Line Up aus, worauf Victor Smolski und einige weitere Rage-Musiker die neue Band Almanac als “ihre” Fortsetzung auf LMO gründeten.

«Victor Smolski’s Almanac» spielen sich jetzt aktuell also durch eine bunt gemischte Setliste aus Rage-«Covern» und Songs von den eigenen drei Alben. Auf der Bühne tritt die Gruppe als Trio auf: mit Bass, Schlagzeug und Gitarre/Vocals. Die Vocals machen dabei jedoch den kleineren Anteil der Musik auf. Der Fokus liegt ganz klar auf der eindrücklichen Gitarrenarbeit Victors und den eingespielten Orchesterklängen.

Auch als Nicht-Gitarrist wage ich die Aussage, dass der Mann es echt draufhat! Wenn solch gewaltige Tracks nicht langweilen, muss etwas dahinter stehen. Und von Langeweile ist weit und breit definitive keine Sicht. Sollte jemand tatsächlich nichts mit der Musik anfangen können, dürfte auch das auf grossen Seitenbannern zu sehende Albumcover der aktuellen Scheibe «Rush Of Death» bei genauerem Betrachten viele interessante Details bieten. Später gesellt sich auch Protheus von Dymytry wieder dazu und unterstützt das Trio mit zusätzlichen Vocals. Schon bald ist auch der zweite Gig vorbei, und schon jetzt bin ich absolut zufrieden mit dem bisherigen Konzertabend.

Lordi

So viel vorweg: Ich habe jedes der sieben «Lordiversity»-Alben und somit jeden Song durchgehört. Trotzdem habe ich die leise Befürchtung, dass der Fokus zu stark auf den aktuellen Alben liegen könnte. Auch die finale Statistik zeigt: Gegen die sieben “alten” überwiegen die “neuen” acht Songs leicht. Doch zusammen mit den vier üblichen Solos und den Showeinlagen und wohl auch dank der Wahl dieser acht neuen Songs kommt alles gut!

Losgelegt wird mit «Macho Freak» von «Superflytrap», dem zweiten dieser sieben Alben. Die Finnen nahmen sich wohl selber noch nie ernst, doch dieses von Disco-Musik angehauchte Album toppt echt alles. Einfach mal bei «Believe Me», welches wie erwartet später auch noch zum Zuge kommt, reinhören und sich ein Bild machen… Für Fans der älteren, grossen Hits wird dann gleich mit «Would You Love A Monsterman?» gekontert. Das Debütalbum «Get Heavy» bekam bereits im August am Wacken Open Air besondere Aufmerksamkeit, und so wird hiervon später nur noch das obligate «Devil Is A Loser» folgen.

Schon nach zwei weiteren neuen Songs ist das erste Solo an der Reihe. Mr. Lordi und seine Mannen wissen ihre Sets mit den Solos der verschiedenen Instrumentalisten aufzulockern, und da ist das jetzige Drum Cover von Mana keine Ausnahme! Die drehenden Scheiben vor den Bassdrums runden das Ganze auch visuell noch ab. «Blood Red Sandman» ist ein weiterer Pflichtpunkt.

Keine Angst, ich gehe jetzt nicht einfach die gesamte Setlist durch! Lordi nehmen uns in der verbleibenden Zeit auf eine Reise durch die teils fiktive Bandgeschichte und verführen uns mit Highlights wie dem neuen «Borderline» oder dem wahrscheinlich unterbewerteten «Down With The Devil» vom Album «Monstereophonic». Unterbrochen wird das Feuerwerk an coolen Songs lediglich von den ebenfalls coolen Solos und einigen gruslig-witzigen Showeinlagen. Beide lockern das Set ungemein auf, wobei letztere heute – verglichen mit früheren Shows – definitiv mager ausfallen. Klar, da gibt es Kostüme, Sägen, einen Rauch versprühenden Schädel, Mr. Lordis Flügel oder Weihnachtsmützen bei «Merry Blah Blah Blah». Trotzdem scheint der Fokus mehr auf der Musik zu liegen als auch schon, was definitiv nicht nur schlecht ist!

Auch dieses Set ist dann viel zu schnell vorbei. Zu gerne hätte ich mir die Finnen noch länger zu Gemüte geführt. Gerade die sechs Alben zwischen «Deadache» und «Sexorcism» waren mit nur einem Lied arg untervertreten. Doch bin ich ja Fan von wechselnden Sets, gerade auch, wenn der Fokus bereits vor der Tour absehbar ist. Genau dies war hier der Fall: Von sieben neuen Alben nur zwei oder drei Songs zu spielen, wäre eine vergebene Chance gewesen. Wie auch nach der Wacken-Show bin ich hellauf begeistert von dem, was die finnischen Monster abgeliefert haben, und freue mich, dass die Wartezeit bis zur nächsten Show hoffentlich nicht mehr so lange dauert.

Setlist – Lordi

  1. Macho Freak
  2. Would You Love A Monsterman?
  3. Victims Of The Romance
  4. Demon Supreme
  5. Mana Solo (Drums)
  6. Blood Red Sandman
  7. Carnivore
  8. Hiisi Solo (Bass)
  9. Abracadaver
  10. Borderline
  11. It Snows In Hell
  12. Hella Solo (Keyboard)
  13. Down With The Devil
  14. Believe Me
  15. Kone Solo (Guitar)
  16. Devil Is A Loser
  17. Who’s Your Daddy
  18. Merry Blah Blah Blah
  19. Hard Rock Hallelujah

Das Fanzit – Lordi, Almanac, Dymytry

Alle drei Bands haben auf ihre Art überzeugt! Dymytry haben den Abend gekonnt eröffnet und hatten das Z7 schon nach einer kurzen Warmlaufphase im Griff. Almanac haben darauf ihr Können demonstriert und Fans von verspielter Gitarrenmusik bedient. Mit den gegenseitigen Gastauftritten haben Victor Smolski und Protheus zudem für kurzweilige Sets gesorgt.

(Mr.) Lordi fiel es bestimmt nicht leicht, das Set für den heutigen Abend resp. die aktuelle Tour zusammenstellen. Wie nur soll man sieben neue Alben einbinden und dabei auch älteres Material nicht vernachlässigen? Diese schwierige Aufgabe lösten die ESC-Gewinner jedoch problemlos und sorgten damit für eine abwechslungsreiche Show, mit der sowohl alteingesessene Lordi-Fans als auch Lordi-Neugierige mehr als zufrieden sein dürften. Ich bin’s!


Wie fandet ihr das Konzert?

24.05.2023
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